Donnerstag, 31. Juli 2014

#5-dritter Reiseeintrag

Pustekuchen mit kreischenden Massen!

Das Rock Cafe fand ich zwar, aber leider deutete nichts darauf hin, das es öffnen würde, oder in den letzten Monaten überhaupt mal offen war.
Eine gute Gelegenheit also, mal früh ins Bett zu gehen und auszuschlafen.

Da die Strecke über die A11 führte machte ich mir Gedanken was mich wohl erwarten würde.
Als Vorstellung hatte ich dabei eine deutsche Autobahn, auf deren Seitenstreifen ich, von LKWs in 30cm Abstand vorbeirauschend, keine Minute entspannt radeln könnte.
So sah die A11 aus.



Eine schlechtere Landstraße, die zum Glück nur wenig befahren war.
Leider spendeten die spärlich verteilten Bäume keinerlei Schatten, so dass sich diese Tagesetappe zu einer echten Hitzeschlacht, bei über 30°C entwickelte.

Nach etwa 50 km tauchte die litauische Grenze auf.


Schnell ein Foto von diesseits...


und jenseits der Grenze geschossen.


und am alten Grenzgebäude, auf neutralem Gebiet sozusagen, gefrühstückt und ein "Selfie" fabriziert.



Auf litauischer Seite scheint es tolle Hirsche zu geben.



So langsam stieg mein inneres Thermometer immer mehr und nachdem ich dummerweise in Palanga keine Pause eingelegt hatte, schleppte ich mich mit letzter Kraft bis 10 km vor Klaipeda, wo wie eine Oase eine Tankstelle auftauchte.


Eine 1 1/4 Liter Flasche eisgekühlte Coke schüttete ich  innerhalb von 5 Minuten in mich hinein, was erstaunlicherweise außer ein paar Rülpsern keinerlei körperliche Reaktionen hervorrief.

Keine Ahnung was mich die Cola gekostet hat.
Im Gegensatz zu Lettland, wollte man hier keine Euro und ich mußte das Getränk mit meiner EC-Karte bezahlen.
Aber egal, in dem Moment hätte ich auch 10 Euro und mehr ohne zu zögern dafür auf den Tisch gelegt.

Wenig später erreichte ich endlich die ehemalige ostpreußische Hauptstadt Memel.




Ich brauchte aber noch 1 1/2 Stunden, bis ich am anderen Ende der Stadt in der Pension "Fortuna" Unterkunft fand.

Da das Stadtzentrum 5 km entfernt lag und ich es beim Herumirren schon ausreichend erkundet hatte, entschloss ich mich nichts weiter zu unternehmen, sondern nur im nahe gelegenen Supermarkt ein paar Produkte aus einheimischer Produktion zu kaufen und auf dem Zimmer zu testen.



Der Test verlief sehr positiv, so dass ich am nächsten Morgen 5 Uhr wieder munter war, und mich auf den Weg zum Hafen machte, um eine Fähre für die Überfahrt zur Kurischen Nehrung ausfindig zu machen.

Zuvor suchte ich aber noch das Simon-Dach-Denkmal auf dem Marktplatz auf.


Bisher war mir der Name Simon Dach nur von der Kneipenmeile in Berlin-Friedrichshain ein Begriff.
Das er das Ännchen von Tharau gedichtet hat und hier in Memel geboren wurde und sich u.a. in Wittenberg, Magdeburg und Königsberg aufhielt, war mir neu.


Auf der Suche nach der Fährablegestelle entdeckte ich noch diesen etwas gruseligen Kollegen.



Wenig später setzte ich innerhalb von 10 Minuten auf die Kurische Nehrung über.





Vorbei an riesigen Dünen ging es relativ entspannt hügelauf und hügelab und zur Abwechslung lief auch mal ein Fuchs über den Weg.



In Juodkranté legte ich eine Pause für einen Kaffee ein,


 und kam wenig später an diesen Schildern vorbei.

 



Gegen 13 Uhr erreichte ich dann den Ferienort Nida, das Tagesziel der heutigen Etappe.

Montag, 28. Juli 2014

#4-zweiter Reiseeintrag

Am Montagmorgen ging es nach Liepàja.

Nachdem ich halb 9 die ersten 50 km geschafft hatte, hielt ich es für eine gute Zeit eine Frühstückspause einzulegen.

Nur leider kam erst nichts, dann wieder nichts und später auch nichts.


Keine Tankstelle, keine Ortschaft am Weg, die man ohne größere Umwege erreichen konnte, kein Cafe, kein Restaurant, kein Imbiss.
Zum Glück hatte ich mir am Morgen meine Flaschen gefüllt, obwohl mir die Herkunft und die Qualität des Wassers etwas suspekt waren. Außerdem hatte ich noch ein paar Schoko-Erdnussriegel einstecken, so dass ich den Körper wenigstens grundversorgen konnte.
Um 11, bei Km 90 tauchte dann endlich der heiß erwartete Laden auf und ich legte ersteinmal eine ausgiebige Pause ein.



16 km später hatte ich dann mein Ziel, das Liva Hotel im centr Liepajas, welches ich mir über "booking.com" heraus gesucht hatte, erreicht und nahm eine ausgiebige Dusche.

Folgendes möchte ich euch nicht vorenthalten:
Der Reiseführer "lonely planet" weiß in seinem Band "Estland, Lettland & Litauen" zu berichten: "Seit zehn Jahren ist Liepàja nun schon auf der Suche nach einer eigenen Identität - wie ein verunsicherter Teenager. ... Liepàja bietet kaum Sehenswürdigkeiten ... Ein schmaler Grünstreifen, dient als Puffer zwischen den sanften Dünen und dem eher unansehnlichen Stadtkern." Immerhin, führt "lonely planet" weiter aus, könnte man dort aber "im ehemaligen Militärgefängnis, inklusive regelmäßiger Bettenkontrolle, Beleidigungen durch die Wärter in historischer Uniform und der ekelhaftesten Latrine überhaupt" übernachten. Wahlweise kann man auch "in Zelle 26, in Einzelhaft übernachten, in der man nachts nicht gestört wird, deren undurchdringliche Finsternis einen aber in den Wahnsinn treibt".

Nun ja, das habe ich ja schon zu Hause, so dass ich dann doch ein Zimmer im Liva Hotel bevorzugte und mich auf die Suche nach kreischenden Menschen machte.

Denn auch dies beschreibt "lonely planet" in der Rubrik "Ausgehen & Unterhaltung": "Liepàja hat den Ruf das lettische Zentrum der Rockmusik zu sein und ein Konzertbesuch ist hier immer ein Erlebnis. Auch wenn die Texte unverständlich bleiben, mitten in der kreischenden Masse zu stehen, ist doch eine "kulturelle" Erfahrung, die man nicht so schnell vergisst."

Aha. Interessant. Irgendwie kam mir diese Beschreibung ja wie aus einem Reiseführer der "Jetlag - Travel Guide" - Reihe vor, aber die Neugier war geweckt.

Also auf in "Latvia`s 1st Rock Cafe".

#3-erster Reiseeintrag

Gemütlich sollten die ersten 2 Tage der Reise werden, da nichts weiter anstand, als das Rad zum Leipziger Hauptbahnhof zu bugsieren, mit dem Zug bis Travemünde zu fahren und dort auf die Fähre zu steigen.

Sollte!
Nicht der Umstand, dass ich erst Freitagabend mit dem Packen begann, oder das frühe Aufstehen am Samstagmorgen brachten mich etwas außer Tritt.
Nein, dank der Deutschen Bahn floss schon am ersten Tag Schweiß und Blut.

Bis Bad Kleinen, dass man (wenn überhaupt) nur durch einen gewissen Herrn Grams und die dubiose Rolle einiger Jungs der GSG-9 kennt, ging alles glatt.
Das Fahrrad hing gewohnt deutsch, vorgebucht und nummeriert, in den dafür vorgesehen Abteil und es schien eine angenehme, wenn auch etwas langweilige Fahrt zu werden.
Leider hielt es die DB aber nicht für notwendig, im Vorfeld über den derzeitig stattfindenden Schienenersatz zwischen Bad Kleinen und Grevesmühlen zu informieren.
Die Schwierigkeit für einen Radfahrer besteht nämlich in der fehlenden Möglichkeit, sein Rad in einem der ersatzweise fahrenden Busse transportieren zu dürfen.
Da half alles Betteln bei den Busfahrern nichts. Die einzige Antwort bestand in einem mitleidigen Schulterzucken und der wenig tröstlichen Aussage, dass ich nicht der erste Radfahrer sei, den man weggeschickt habe.
Da es in Bad Kleinen auch keinen Informationsschalter gibt, tippte ich wild am dort befindlichen Fahrkartenautomaten herum und, Sagengestalt sei Dank, spuckte der Automat tatsächlich eine Zugverbindung zurück nach Schwerin und dann als Umsteigepunkt über einen mir bis Dato unbekannten Ort namens Büchen aus, die mich noch rechtzeitig nach Travemünde bringen würde.

Um diese Informationen zu bekommen war aber erstmal harte Arbeit angesagt.
Um zur Bushaltestelle und wieder zurück zum Bahnsteig zu kommen, muß man nämlich jeweils 3 steile Treppen erklimmen bzw. absteigen, was mit einem vollgepackten Rad kein Spaziergang ist. Dankenswerterweise befanden sich zumindestens an zwei der Treppen Rampen für Kinderwagen, Rollstuhlfahrer und eben Radfahrer.

Iim Gegensatz zur penibel gepflegten Rasenfläche zwischen den Gleisen, war anscheinend keiner für das an der Rampe im Außenbereich wuchernde Brombeergestrüppe verantwortlich.
Unweigerlich verfing ich mich auf der schmalen Rampe in den Dornen des überhängenden Strauches und zog mir einige nicht unerheblich blutende Kratzer an den Händen und Armen zu.
Immerhin hatte ich jetzt aber wieder einen Plan und wartete ungeduldig auf den Zug.
Der kam auch fast pünktlich, war aber leider (Endziel Hamburg) brechend voll.
In letzter Sekunde quetschte ich mich in den letzten verbleibenden Zugang zwischen einen Rollstuhlfahrer und eine Familie mit 2 kleinen Kindern, sowie Kinderwagen und harrte die Stunde bis zum Umstieg in einer transpirierenden und nicht ganz entspannten Haltung aus.
Im nächsten Zug, Richtung Lübeck, kam zu der Enge noch eine spielerische Variante hinzu.
4 bepackte Fahrräder, ineinander verhakt, zwischen den sich rechts und links befindlichen Türen stehend, mußten bei den wechselnden Aus- und Zustiegen, tetrisspielähnlich, vor und zurück bugsiert werden, was selbst die Passagiere, die einen Sitz in der offen stehenden Toilette gewählt hatten, amüsierte.
Und der Zug hielt oft, da es eine Regionalbahn war.
Eine Stunde später erreichte aber auch dieses Gefährt sein Ziel und ich war endlich in Lübeck.
In beiden Zügen ließen sich übrigens keine Zugbegleiter blicken, da diese wahrscheinlich die Sinnlosigkeit des Unterfangens, sich durch die leicht gereizten, ein Opfer erwartenden Reisenden zu kämpfen, eingesehen hatten. Dies ersparte mir immerhin eine Diskussion über meine eigenmächtige Umbuchung der Strecke.

Die Fahrt nach Travemünde-Skandnavienkai war dann nur noch ein Katzensprung und nach 3km entspannten Radelns stand ich vor dem Check-In der Stena Line.


Beim Warten auf den Bus, der uns vom Check-In zur Fähre bringen sollte, lernte ich noch ein Pärchen aus Hamburg, in den späten "besten Jahren", kennen.
Die beiden waren auch mit dem Rad unterwegs und hatten ähnliche Touren im Baltikum schon des öfteren gemacht.
So verging die Stunde bis zur Abfahrt des Busses beim Fachsimpeln wie im Flug und wir erreichten, etwa einen Kilometer über das Hafengelände gemütlich hinter dem Bus herradelnd, gegen halb 6 Uhr abends die Fähre.

Dort genoss ich ersteinmal auf dem Oberdeck den Blick über den Hafen und die vorbeifahrenden Schiffe, bis unsere Fähre gegen 19 Uhr ablegte.




Auf dem Zwischendeck hatte sich inzwischen eine illustre Schar, der Sprache nach zu urteilen, lettischer, litauischer und russischer Truckerfahrer eingefunden, die Bier und Wodka in sich hinein schütteten, als wenn es kein Morgen geben würde.
Aus diversen Lokalen und Nahkampfdielen war ich ja schon einiges gewohnt. Aber was hier abging war wirklich der Hammer.

Die Nacht verbrachte ich dann, dank der unermüdlich arbeitenden Klimaanlage und meinen nicht vorhandenen Schlafsack (der befindet sich noch in einer der Packtaschen am zur Zeit unzugänglichen Fahrrad), leicht fröstelnd, zusammengekauert in einem Sitz und war dementsprechend zeitig, bei Sonnenaufgang, wieder auf den Beinen.
Wenn ich nebenbei erwähne, dass es morgens 6 Uhr auf dem Deck wärmer als im Schiff war, könnt ihr euch vielleicht vorstellen, wie zuverlässig das cooling System arbeitete.

Immerhin konnte ich so die Zeit bis zum Frühstücksbuffet, das 9 Uhr öffnete, mit dem Schreiben eines Briefes nutzen und diesen Bericht verfassen.


Pünktlich 20 Uhr Ortszeit legte die Fähre in Ventspils an und ich fuhr noch 16 km südlich bis Leci, wo ich in einer einfachen, aber vollkommen ausreichenden Unterkunft übernachtete.